Ursachen und Behandlung

Bettnässen: Kein Drama, sondern ein lösbares Problem

Geschätzt 60.000 Kinder leiden in Österreich unter dem Problem Bettnässen. Und mit ihnen ihre Familien. Bettnässen ist die zweithäufigste chronische Erkrankung im Kindesalter. Doch nur wenige betroffene Kinder werden adäquat therapiert – obwohl ausgezeichnete und rasche Hilfe möglich ist. Zusätzlich sind etwa 1-2% der Erwachsenen betroffen.

Unter Bettnässen versteht man das Einnässen im Schlaf an mindestens zwei Nächten pro Monat nach dem 5. Lebensjahr, wenn das Kind tagsüber trocken ist und keine Harnwegsinfekte oder organischen Störungen vorliegen.
Man unterscheidet zwei Formen:

  • Das Kind war noch nie trocken (ca. 80% der Fälle) – genannt primäre Enuresis nocturna
  • Das Kind beginnt nach mindestens 6 Monaten Trockenheit wieder nachts einzunässen – genannt sekündäre Enuresis nocturna

Fast immer ist ein körperliches Problem die Ursache von Bettnässen

  • Verzögerte Entwicklung der Blasen-Hirn Steuerung: Nach dem 5. Lebensjahr wird nachts das Antidiuretische Hormon (ADH) ausgeschüttet. Dieses gibt den Befehl an die Nieren, den Harn nachts stärker zu konzentrieren, damit die Blase im Schlaf nicht „überläuft“. Wird das Hormon noch nicht ausreichend produziert oder sind die Andockstellen (Rezeptoren) an den Nieren noch nicht ausreichend ausgebildet, kann dies zum Bettnässen führen.
  • Zu kleine Blase
  • Genetische Vorbelastung: Wenn ein Elternteil Bettnässer war, liegt die Wahrscheinlichkeit für das Kind bei 45% auch einzunässen. Falls Vater und Mutter betroffen waren, steigt die Wahrscheinlichkeit auf 75%.
    Häufig werden ehemalige Bettnässer durch nächtlichen Harndrang geplagt. Informationen und Hilfe finden Sie hier.
  • Das Kind trinkt nicht über den Tag verteilt, sondern hauptsächlich am Abend
  • Beeinträchtigter Aufwachmechanismus: Das Kind scheint kaum weckbar zu sein.

Seelische Störungen sind nicht Ursache, sondern Folge von Bettnässen

Fälschlicherweise werden sehr oft psychische Probleme oder Unreife als Ursache vermutet. Die Psyche spielt fast immer als Folge von unbehandeltem Bettnässen eine Rolle. Eher selten ist sie die auslösende Ursache. Gestörte Sozialkontakte, Verhaltensauffälligkeiten, Versagensängste, vermindertes Selbstwertgefühl, Bindungs- und sexuelle Probleme im Erwachsenenalter bis hin zu einer massiven Persönlichkeitsstörung sind mögliche Folgen von unbehandeltem Bettnässen.

Deshalb ist es so wichtig, dass Sie frühzeitig etwas gegen das Einnässen unternehmen – bevor der Leidensdruck groß wird.

  • Kinder im Alter von 8-18 Jahren geben an, dass Bettnässen auf Platz drei unter den am meisten belastenden Situationen liegt, nach Scheidung und elterlichem Streit.1
  • Kinder empfinden Bettnässen schlimmer als von anderen Kindern gehänselt oder ausgeschlossen zu werden.1
  • Ein Drittel der betroffenen Kinder im Alter von 9 Jahren geben an, dass sie es „ziemlich schwierig“ finden mit der Situation zurechtzukommen. Fast die Hälfte der häufigen Bettnässer (≥2 pro Woche) finden es „besonders schwierig“.2

Behandlung je nach Ursache

Die möglichen Behandlungsmethoden sind so vielfältig wie die Ursachen. Oft ist eine Kombinationstherapie bestehend aus allgemeinen Maßnahmen, Verhaltenstherapie und Medikamenten sinnvoll und notwendig. Wichtige Kriterien für die Entscheidung, wann mit der Therapie begonnen wird, sind der Leidensdruck und die Motivation der Kinder. Sinnvoll ist es, mit einer Behandlung spätestens vor dem Schuleintritt zu beginnen.

Einem Großteil der Bettnässer kann mit der seit vielen Jahren bewährten Wirksubstanz Desmopressin rasch und einfach geholfen werden. Die Erfolgsrate des synthetisch hergestellten Botenstoffs ADH liegt bei 80 bis 85%. Meist kann schon innerhalb weniger Tage nach der täglichen Einnahme vor dem Schlafengehen eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Durch das schnelle Ansprechen auf die Therapie gewinnen die Kinder rasch wieder an Selbstbewusstsein und sind motiviert, das Medikament über mindestens drei Monate einzunehmen. Danach wird die Dosis langsam reduziert. Bei sachgemäßer Anwendung ist die Nebenwirkungsrate äußerst gering.

Ist das Fassungsvermögen der Blase noch zu klein, kommen häufig Anticholinergika zum Einsatz. Diese Wirkstoffe unterdrücken gezielt die Wirkung des körpereigenen Botenstoffes Acetylcholin, der für das Zusammenziehen des Blasenmuskels, also für die Entleerung der Blase, zuständig ist. Sie vergrößern dadurch das Fassungsvermögen der Blase.

Auch die Alarmtherapie kann bei einem zu geringen Fassungsvermögen der Blase sowie bei verminderter Aufwachfähigkeit eingesetzt werden. Dabei sendet ein Sensor in der Unterhose ein Signal an einen Funkwecker, der einen Alarm auslöst, wenn die ersten Tropfen Urin fließen. Das Kind wird aufgeweckt und kann zur Toilette gehen. Es lernt schließlich, schon während der Blasenfüllung die Blasenkontraktion zu unterdrücken und noch vor dem Einnässen aufzuwachen. Wichtig für den Erfolg der Behandlung ist, dass das Kind vollständig wach ist. Die Therapie spricht nach 8-12 Wochen an, erfordert viel Geduld und wird vorwiegend bei älteren Kindern eingesetzt.

Weiters spielen positive Motivation und entsprechende Belohnungen z.B. für die Einhaltung der Therapie- und Verhaltensempfehlungen und später für trockene Nächte eine wesentliche Rolle für den Erfolg. Manchmal kann alleine die Änderung des Trinkverhaltens (Haupttrinkmenge in der ersten Tageshälfte), die Blasenentleerung vor dem Schlafengehen bzw. die Korrektur einer falsch eingelernten Blasenentleerung viel bewirken. Bei Verhaltensauffälligkeiten sollte zusätzlich ein Psychologe um Rat gefragt werden.

Die Laserakupunktur stellt eine weiter Maßnahme bei bettnässenden Kindern dar. Sie macht zusätzlich zur medikamentösen oder Alarmtherapie Sinn. Studien zeigen, dass die Therapie unter anderem dadurch punktet, dass eine regelmäßige Zuwendung durch den Arzt erfolgt.

Im Rahmen einer Biofeedback-Behandlung werden die Körperwahrnehmung sowie die Blasenkontrolle verbessert und die entspannte Blasenentleerung trainiert.

Bitte nicht!

Keine Experimente! Geisterheilung, Kräuterbehandlungen und Steinauflegen gehören nicht ins Repertoire verantwortungsvoller Eltern! Sprechen wir offen: Manche Eltern sind bereits so verzweifelt, dass sie auf alle möglichen Wundermittel zurückgreifen, deren einziger „Erfolg“ leider nur in der Verwirrung des Kindes besteht. Trocken wird niemand, der seine Krankheit nicht dort behandelt, wo ihr Ursprung liegt! Und dieser Ursprung liegt in der Mehrzahl der Fälle ganz einfach im fehlenden antidiuretischen Hormon.

Vermeiden Sie folgende Fehler:

Vorzeitiger Therapieabbruch
Der Körper braucht die angegebene Dauer von mindestens drei Monaten, um das ADH selbst bilden zu können. Jeder vorzeitige Abbruch der Therapie heißt: Wieder nasses Bett! Viele Eltern begehen nämlich den Fehler, zu früh auf die Medikamente zu verzichten, weil das Kind ja praktisch ab der ersten Nacht trocken ist. Doch wer nach einem oder zwei Monaten die Therapie abbricht, muss nochmals von vorne beginnen – das enttäuscht Kinder und Eltern und wäre leicht zu vermeiden gewesen!

Änderung der Dosierung
Regelmäßige Einnahme ist notwendig. Wer einmal vergisst, darf keinesfalls am nächsten Abend die Dosis erhöhen. Nur der Arzt kann über eine Änderung der Dosierung entscheiden.

Reagieren Sie nicht allzu enttäuscht, wenn’s doch wieder einmal passiert, denn auch eine Verminderung der nassen Nächte ist ein Erfolg.

Erstellt mit freundlicher Unterstützung unseres wissenschaftlichen Beirats.